Da Rudi diese Tage grad wieder mal auf nem andren Kontinent zu tun hat, packten Anton, Ludwig und ich kurzerhand die Taschen und machten uns auf den Weg gen’ Tirol. Unter andrem, um mal paar Staubleichen aus dem Dachboden meines Elternhauses zu holen, die doch endlich ins schöne Bayern verfrachtet gehören: die Rede ist von meinen alten Kinderbüchern. Dass die schon 30+ Jahre auf den Schultern haben und ein paar Exemplare davon dementsprechend ausschauen, darüber wollen wir hier nicht reden, es geht ja um die Inhalte der Kinderbücher. Aber grad da haute es mich heute wortwörtlich fast um. Und zwar so, dass die Dachpfette bedrohlich nah kam und ich mir im letzten Moment dachte: Alles gut. Die Zeit der Gruselgeschichten ist vorbei… Denn: was mir heute in die Arme fiel, war eine Anhäufung diverser Gruselgeschichten, die mich als 3-6 Jährige (bis ich dann selber endlich lesen konnte und mir meine Bücher selber aussuchen anfing) bis in meine Träume verfolgten und mich mitten in der Nacht total verschwitzt und panisch aufwachen ließen. Denkt nun nicht, dass mir meine Eltern Gruselgeschichten vorlasen, nein. Sie lasen mir vor, was zu dieser Zeit, also in den 80er Jahren und später wohl auch noch, völlig normal und in jedem Haushalt zu finden war.. Märchen, die von entführten Töchtern handeln, oder Geschichten, die einem das Daumenlutschen austreiben sollten. Schlussendlich nahm ich nebst Klassiker, wie Momo oder Pipi Langstrumpf, dann auch den Struwwelpeter mit. Ein Fauxpas.
Klar ist ja, dass Anton mir Dasselbige noch beim Herunterkraxeln aus dem Dachboden entriss und sich damit in seine Leseecke einigelte. “Mamaaaa, komm. Vorlesen bitte! I sitz scho.” Ok. Also muss ich ihm des nun irgendwie beibringen, dass hier keinem Kind der Daumen tatsächlich abgeschnitten wird, sondern es mehr so eine Warnung sein soll für…. Äh ja. Hmmm…. Es wär dann doch besser gewesen, einfach den Struwwelpeter, Struwwelpeter sein zu lassen und mich auf Pipi & Co zu konzentrieren.
Aber ihr Lieben – eines muss ich hier nun schon mal von mir geben: wie krass brutal und düster können sogenannte Kinderbücher denn überhaupt sein????? Schneewittchen wird vergiftet, der Wolf frisst die Geisslein, der Eine wird ertränkt, der andere erschossen. Und natürlich werden die Literaturwissenschaftler unter euch nun sagen.. “Hm, ja pass Obacht. Solche Bücher wurden ja eigentlich für die Erwachsenen verfasst, nicht für die Kinder…!” Aber grad diese Erwachsene schenken den Kindern ja dann zu Taufe, Geburstag, Kindergartenstart etc. solche Bücher. Weil sie ja zur Allgmeinbildung gehören 😉
Im Endeffekt entscheidet dann auch oft das Kind selbst, ob es ein Buch gut oder schlecht findet. Anton’s Resümée war eindeutig:
“Mama, des is a schiachs Buch. Bitte lies mir den Walfisch vor.” Also, ein MEGA Face Palm Fall fürn Struwwelpeda. Dafür ein Großes Daumen Hoch für “Die Schnecke und der Buckewal” von Axel Scheffler und Julia Donaldson. In diesem Sinne! Eine gute Nacht euch und einen tollen Wochenstart!
Charlotte Sonntag
Ja , der Struwwelpeter und die anderen grausigen Gesellen sind Inspirationen für Erwachsene…. siehe gestern abend den “Tatort” “Die Geschichte vom bösen Friederich”.
Massakrierte Buch-Figuren haben mich als Kind auch schon erschreckt, aber nicht in dem Umfang, als heute.
Vielleicht hat der Schock auch was gutes, Kind wächst mit dem Ekel vor Gewalt auf, und “schiache” G’schichten werden ausgeblendet und negiert. Klein Anton hat sie drauf, die Humanität, wie alle kleinen Kinder, und das ist durchaus beruhigend.
Man darf gespannt sein, für welche ,unter anderem, (süssen) Schnecken er sich in einigen Jahren interessiert, wenn’s statt Grimm’s Märchen Anton’s Märchen gibt, exklusiv aufgelegt für Mama und Papa….. 😉
bambini
LIebe Frau Sonntag, glauben Sie mir, auch ich bin hier äußerst gespannt, was uns die ferne Zukunft bringen wird. Aber die Schnecken kommen wohl früh genug… 🙁